Das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren und eine vereinfachte Mandatsvergabe nach Hare-Niemeyer

Julia Klöckner fordert eine erneute Reform des Bundestagswahlrechts, um die Erststimme wieder zu stärken. Die Bundestagspräsidentin begründet dies damit, dass das aktuelle Wahlrecht, das der Verkleinerung des Parlaments dient, zu einem Repräsentationsproblem geführt hat. So konnten bei der letzten Wahl 23 Wahlkreissieger nicht in den Bundestag einziehen, da ihre Direktmandate nicht durch den Zweitstimmenanteil ihrer Partei gedeckt waren.

Es fällt mir zwar schwer, aber ich muss Mrs. Nestlé recht geben.

Das Problem ist, dass es bei einer Abweichung zwischen Erst- und Zweitstimme nicht zur optimalen Abbildung der Interessen der Wähler kommt. Die Stimmen für die 23 Kandidaten waren im Grunde wertlos.

Bei der Bundestagswahl kommt aktuell ein personalisiertes Verhältniswahlsystem zum Einsatz, bei dem jeder Wähler über zwei Stimmen verfügt. Mit der Erststimme wird ein Direktkandidat im jeweiligen Wahlkreis gewählt. Wer die meisten Erststimmen in seinem Wahlkreis erhält, gewinnt das Direktmandat. Die Sitze, die nach der Zweitstimme vergeben werden, werden derzeit nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren proportional zu den Zweitstimmen verteilt. Dabei handelt es sich um ein Höchstzahlenverfahren, dass die Nachteile großer und kleiner Parteien weitgehend ausgeglichen soll.

Klingt irgendwie kompliziert. Vielleicht geht das auch einfacher:

Nehmen wir als Beispiel mein Sachsen. Insgesamt sind derzeit 30 Abgeordnete aus dem Freistaat im Bundestag vertreten. Davon wurden 14 direkt in ihrem Wahlkreis gewählt, 16 zogen über die jeweiligen Landeslisten ihrer Parteien in den Bundestag ein.

Am Prinzip „The winner takes it all” für die Erststimmen würde ich nichts ändern: 14 Wahlkreise mit 14 Ansprechpartnern für die Wähler. Vielleicht sollten wir Wähler die angebotenen Sprechstunden auch öfter nutzen, damit die Wahlkreisvertreter ihren Wahlkreis auch vertreten und nicht nur die Parteilinie fahren. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Landeslisten-Mandate würde ich hingegen nach dem Stimmenanteil vergeben, und zwar so lange, bis alle Sitze vergeben sind. Ein Beispiel: Partei A erhält 35 %, Partei B 32 %, Partei C 17 %, Partei D 10 % und Partei E 6 % der Stimmen. Zunächst werden die Sitze proportional zu den Prozentanteilen der Parteien verteilt. Dabei werden die Bruchzahlen (Nachkommastellen) ignoriert, sodass jede Partei eine ganze Zahl an Sitzen erhält. Im nächsten Schritt werden die verbleibenden Sitze nacheinander den Parteien mit den größten Nachkommastellen zugewiesen, bis alle Sitze vergeben sind. Das Wahlergebnis sieht wie folgt aus: Partei A erhält 6 Sitze, Partei B ebenfalls 6 Sitze, Partei C 3 Sitze, Partei D 1 Sitz und Partei E erhält keine Sitze.

Der von mir gerade skizzierte Vorschlag, die Landeslistensitze über ein vereinfachtes Restausgleichsverfahren zu vergeben, ähnelt dem früher in Deutschland angewandten Hare-Niemeyer-Verfahren. Ich glaube, die Rückkehr zu diesem einfachen und intuitiven System würde die direkte Beziehung zwischen Wählern und Abgeordneten stärken, während sie die Parteien gleichzeitig zu einem breiteren politischen Angebot ermutigt. Oftmals beschränkt sich das Politikangebot gerade von Kleinparteien auf ein ganz bestimmtes Klientel in der Hoffnung, mit diesen wenigen Wählern die 5-Prozent-Hürde zu überspringen.