Unzufriedenheit, schwer zu formulierende Vorstellungen und die Frage nach dem Kreuz

Morgen ist Wahltag und ich weiß noch nicht, wo ich mein Kreuz machen werde.

Natürlich stellt sich zuerst die Frage, was ich in der Vergangenheit gewählt habe. CDU, wegen Angela Merkel. Ich mag sie immer noch. Bei ihr hatte ich das Gefühl, dass sie sich wirklich kümmert. Dass sie „den Laden“ zusammenhält – ob das nun Deutschland oder Europa ist. Sie ist bodenständig und unprätentiös.

Wenn ich mir den Nachfolger an der Spitze der CDU ansehe, sehe ich nur einen Karrieristen, der einst von einer Frau kaltgestellt wurde und seinen Schwanz erst wieder herausholte, als „sie“ weg war. Die CDU kommt daher bei der Europawahl nicht in Frage, denn jede Stimme für die Union ist eine Stimme für Merz und ein Zeichen dafür, dass er als Kanzlerkandidat antreten soll. Er macht die CDU für mich schlicht unwählbar. Dabei gäbe es in der Partei durchaus Alternativen. Und bei der Kommunalwahl werde ich die CDU auch nicht wählen. Neulich habe ich ein Plaket gesehen, dass die CDU jetzt wieder die CDU ist, also nicht mehr die Partei, die ich wegen Merkel wählen konnte.

Neben Merz hat Merkel noch einen weiteren Nachfolger. Olaf, den ungewollten Scholz. Den Langweiler. Den Besserwisser. Der Inbegriff des Kanzlers als oberster Beamter (ich schiebe mal einen kleinen Bildungsauftrag ein: Ein Kanzler war in der Feudalzeit der Leiter der herrschaftlichen Schreibstube). Sicher ist er als Hanseat ein fleißiger Aktenbearbeiter, aber im Kanzleramt ist er der falsche Mann. Wir brauchen jetzt im Kanzleramt jemanden, der daraus mehr macht als eine Schreibstube und der entweder durch Charakter überzeugt oder der ein geborner Anführer ist. Dafür gibt es in der Partei durchaus Alternativen.

Mit der SPD bin ich ja schon bei den Bundesregierungsparteien und zu der kleinen Partei der abgehobenen Slimfitanzugsträger; einer Partei, der ich überhaupt nicht traue und nichts zutraue, fallen mir nur sechs Worte ein: „Hoffentlich regelt das bald der Markt“! Sorry MASZ, aber ihr Chef ist einfach nur der liberale Unsympath. – Die Nutzung des Worts „Arschloch“ verbietet leider meine Erziehung.

Neben der immer unbedeutender werdenden FDP werden auch andere Kleinstparteien auf dem Wahlzettel stehen, zum Beispiel die V-Partei³. Das ist eine Partei für Veränderung, für Vegetarier und Veganer. Ehrlich gesagt kann ich mit so etwas Monothematischem nichts anfangen. Was machen die denn, wenn es mal nicht ums Essen geht? Diäten kassieren und nach Hause gehen?

Das macht auch Sarah „Putinversteherin“ Wagenknecht gerne. Sie trägt zu Recht den Titel der faulsten Abgeordneten Deutschlands. Die Frau, die noch nie Verantwortung getragen hat, hat noch nie mit dem Privatvermögen ihrer Familie (kolportiert werden 30 Millionen Euro) Sozialwohnungen gebaut oder Arbeitsplätze geschaffen, die sie selbst finanziert hat. Deshalb verstehe ich ehrlich gesagt die Wähler nicht, die BSW wählen. Aber sie sollen lieber den Jubelverein der Selbstverliebten ankreuzen als die AfD.

Alternative für Deutschland – Ursprünglich tatsächlich mal als anderes Politikangebot gegründet, wurden die Rattenfänger immer stärker und nun tummelt sich hier eine Melange, die sich genau wie die sogenannten Altparteien verhält. Es geht um Macht, Posten und Geld.

Ich verstehe wirklich einfach nicht, wie man auf die Idee kommen kann, diese Ansammlung zu wählen. Ich verstehe es einfach nicht. Ja, es läuft vieles schief in der Politik und auch Frau Merkel und die anderen Parteien, also Bündnis 90/Die Grünen, CDU, CSU, Die Linke und die FDP haben einen großen Anteil daran. Aber wo bleibt der Nationalstolz auf das, was unser Land immer wieder leistet? Ich glaube, es gibt viel mehr Positives in Deutschland als das, was schlecht läuft.

„Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“. Auch vor diesem Satz von Alexander Gauland gab es Gewalt gegen Politiker. Aber für mich ist dieser Satz vom 24. September 2017 die Zäsur, deren Folgen in der vergangenen Woche einen Polizisten in Mannheim das Leben gekostet hat.

Besonders viel Hass und Hetze wird von AfD-Anhängern gerne über die Grünen ausgegossen. Eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Inhalten der Partei findet jedoch nie statt, stattdessen wird sich an Oberflächlichkeiten wie der Fettleibigkeit von Ricarda Lang abgearbeitet. Überhaupt ersetzen bei den AfD-Wählern Gefühle und Wünsche Fakten und Wissenschaft. Das Thema Klimawandel geht mir auch auf die Nerven und es wäre schön, wenn Politik wieder so einfach wäre wie zu Helmut Kohls Zeiten. Aber die Rahmenbedingungen haben sich seitdem massiv verändert und es sollte sich langsam aber sicher herumsprechen, dass man mit einfachen Antworten den Anforderungen der heutigen Politik nicht mehr gerecht wird. Wir leben heute und müssen uns auf morgen vorbereiten.

Doch so wie viele AfD-Sympathisanten gerne in einer idealisierten Vergangenheit leben würden, so leben auch Grünen-Wähler häufig in einem Elfenbeinturm. Bestes Beispiel: die geschlechtergerechte Sprache. Ich verstehe, dass die deutsche Sprache eher männlich geprägt ist und wir hier neue Formen brauchen. Aber vieles wirkt dann doch sehr konstruiert und es wird schon oberlehrerhaft versucht, das durchzudrücken. Mit dem so genannten Glottisschlag mache ich niemanden sichtbarer, und wenn man sich dann noch streitet, ob es ein Doppelpunkt, ein Sternchen oder ein Unterstrich sein soll, dann wende ich mich einfach ab.

Die Grünen haben in der kurzen Zeit ihrer Regierungsverantwortung auf Bundesebene viel erreicht. Unter Federführung des Wirtschaftsministeriums sind wir unabhängig von russischem Öl geworden und der Anteil erneuerbarer Energien ist so hoch wie nie zuvor. Ja, Windräder sehen nicht unbedingt schön aus, aber die Landschaften, die ein Tagebaubagger hinterlässt, laden nicht gerade zum Verweilen ein und dass wir kein zweites Tschernobyl auf deutschem Boden brauchen, darüber sind wir uns wohl alle einig.

Für mich stehen sich die Grünen oft selbst im Weg. Es ist klar, dass auch Straftäter Rechte haben. Aber wenn man das nach dem Polizistenmord in Mannheim in der Abschiebungsdebatte explizit erwähnen muss, dann hat man kein Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung. Das Thema ist nicht einfach, das ist mir klar, und gerade deshalb sollte man den Populisten kein zusätzliches Material liefern. – Aber was ist mit einer grünen Regierung? Setzen sich die Realos durch? Oder wählen wir Annalena Baerbock und Robert Habeck, bekommen dann aber so etwas wie Timon Dzienus?

Morgen ist Wahltag und ich weiß noch nicht, wo ich mein Kreuz machen werde. Ich bin unzufrieden, aber ich weiß auch nicht, wie ich mir Politik wünschen würde.