Ballsportarten, Wahlergebnisse in Berlin und das juso’neske Demokratieverständnis

Vor kurzem wurde in Berlin gewählt. Dazu gleich mehr, aber zunächst ein kleines Gedankenspiel.


Bild: Frauke Riether • neelam279 – pixbay.com


Auf einem Sportplatz treffen sich hundert Leute. Es muss erstmal geklärt werden, mit welchem Ball gespielt wird. Zur Auswahl stehen Fuß- und Handball, aber auch Basketball und sogar Golf. Von den 73 Sportlern, die dann tatsächlich eine Meinung zum weiteren Geschehen auf dem Sportplatz hatten, wollten 29 Fußball und je 18 Handball bzw. Basketball spielen. Für Golf entschieden sich weniger als fünf.

Ich glaube, es ist allen klar, dass die Mehrheit für Fußball ist. Denn so ähnlich sich Handbälle und Basketbälle zwar auch sind, verwecheln kann man sie nicht und es gibt auch kein Spiel, dass die beiden kombiniert.

In der Politik ist das anders. Hier müssen verschiedene Angebote miteinander kombiniert werden können. Leider hat der Trainer – um in der Sportplatzsprache zu bleiben – überhaupt kein Mitspracherecht mehr, nachdem er die Mannschaft aufgestellt hat. Dabei ist er der sogenannte Souverän und kann doch nur eine Partei ins Spiel schicken.

Deshalb fand ich die ersten Reaktionen am Wahlabend auch mehr als irritierend, als SPD, Grüne und Linke die rechnerische Mehrheit tatsächlich als Regierungsauftrag für sich reklamierten. Politik ist doch mehr als Mathematik, oder!? Vom Demut gegenüber dem Wählerwillen will ich gar nicht erst anfangen.

Es hat ein paar Tage gedauert und ich wäre gerne die berühmte Maus hinter den Kulissen gewesen, bis die SPD zur Vernunft gekommen ist. Eine Verweigerungshaltung der Sozialdemokraten gegenüber der CDU wäre nicht nur für Krösus Söder ein Wahlgeschenk gewesen. – „Lasst euch nicht die Stimme klauen.“ Ich sehe die kackblauen Wahlplakate schon vor mir. Nun also doch Koalitionsverhandlungen ausgehend vom Wahlgewinner.

Aber es gibt auch die Jusos Berlin. „Die CDU passt nicht zu Berlin und nicht zur SPD. Wir werden uns jeder Bestrebung, eine Koalition mit der CDU zu bilden, entgegenstellen“, twittern sie, noch bevor die Verhandlungen begonnen haben, noch bevor es überhaupt etwas gibt, worüber man sich inhaltlich auseinandersetzen könnte. Aber nachdem die Wählerinnen und Wähler gesprochen haben.

Mal ehrlich, Leute: Bitte was? Wo kommen denn die Mitglieder der Berliner CDU her und die vielen Wähler, die sie zur stärksten politischen Kraft in der Bundeshauptstadt gemacht haben? Man kann, ja man muss politische Unterschiede betonen, aber nicht so. Ich finde das ziemlich arrogant für eine Partei, die keinen einzigen Wahlkreis gewonnen hat. Haben wir hier ein Beispiel für klassischen Realitätsverlust?

Eine Frage hätte ich da noch…

Man sagt, ein Perspektivwechsel bringt neue Einsichten. Ich frage also bewusst überspitzt: Hat sich die woke Blase so sehr daran gewöhnt, den politischen Diskurs zu bestimmen, dass sie meint, Abstimmungsergebnisse lässig beiseite wischen zu können?