Rote Welle und Dunkelphasen

Kaum eine Pflanze ist so fest mit dem Dezember verknüpft wie der Weihnachtsstern. Egal, ob im Baumarkt, beim Discounter oder im edlen Floristikfachgeschäft – die leuchtend roten Blätter begegnen uns derzeit überall. Doch hinter dem vermeintlichen Wegwerfprodukt steckt eine faszinierende Geschichte sowie eine botanische Besonderheit, die viele Besitzer zur Verzweiflung treibt.

Der Weihnachtsstern stammt ursprünglich aus den tropischen Laubwäldern Mittel- und Südamerikas. Wer dort Urlaub macht, erkennt ihn oft gar nicht wieder, denn in der Natur wächst er als meterhoher Strauch.

Die Karriere der Euphorbia pulcherrima

Was viele überraschen dürfte: Als die Pflanze Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Siegeszug in den USA und später auch in Deutschland antrat, wollte sie niemand im Topf haben. Der Weihnachtsstern wurde ausschließlich als Schnittblume verkauft! Die langen Zweige mit den roten Spitzen standen in Vasen auf den Festtagstischen. Das Problem: Sie hielten nicht lange. Erst in den 1950er Jahren gelang es Züchtern, robustere und vor allem kompaktere Sorten zu entwickeln, die auch im geheizten Wohnzimmer im Topf überleben. So wurde der Bestseller geboren, den wir heute kennen.

Überlebenstipps: So bleibt er über die Feiertage fit

Damit der Weihnachtsstern nicht schon vor Heiligabend die Blätter hängen lässt, gibt es ein paar unumstößliche Regeln. Die Pflanze ist sehr empfindlich, was Kälte angeht. Schon der Transport vom Laden zum Auto bei Minusgraden ohne Verpackung kann ihr den Todesstoß versetzen.

Zu Hause gilt:

  • Keine nassen Füße: Staunässe ist Feind Nummer eins. Gieße daher nur mäßig und kippe überschüssiges Wasser im Übertopf unbedingt weg.
  • Der richtige Standort: Er sollte hell sein, aber keine direkte Mittagssonne abbekommen (was im Winter jedoch selten ein Problem ist).
  • Zugluft ist ebenfalls tabu, ein Platz direkt an der oft geöffneten Haustür oder am gekippten Fenster ist also ungeeignet.

Wer seinen Weihnachtsstern erfolgreich durch den Sommer gebracht hat, steht im Herbst oft vor einem grünen Busch. Wo bleibt das Rot? Hier kommt der oft zitierte, etwas skurrile Ratschlag ins Spiel: „Stelle die Pflanze ab Oktober jeden Tag für mindestens 12 bis 14 Stunden ins Dunkle – oder stülpe einen Karton darüber.“

Warum dieser Aufwand? Der Weihnachtsstern ist eine sogenannte Kurztagspflanze. Das bedeutet, dass er seine Blüten und die farbigen Hochblätter (Brakteen) nur ausbildet, wenn er merkt, dass die Tage kürzer werden. Er braucht zwingend eine lange, ununterbrochene Dunkelphase, um das hormonelle Signal zur „Blüte“ zu geben.

Nun rennt im mexikanischen Hochland natürlich niemand durch den Wald und deckt die Sträucher mit Pappkartons ab. In der Natur passiert das vollautomatisch: Wenn dort Herbst und Winter werden, geht die Sonne unter und es wird stockdunkel.

Das Problem in unseren Wohnzimmern ist die Lichtverschmutzung. Wir schalten abends die Deckenlampe an, der Fernseher flimmert und die Straßenlaterne scheint herein. Für den Weihnachtsstern ist das verwirrend. Schon kurze Lichtmomente am Abend suggerieren ihm: „Es ist noch Sommer, wachse lieber weiter grün.“

Der Trick mit dem Schrank oder Karton simuliert also lediglich die natürlichen Lichtverhältnisse seiner Heimat, die durch unsere moderne Lebensweise zerstört wurden. Wer also diszipliniert ist und Dunkelheit simuliert, wird pünktlich zum Fest mit leuchtendem Rot belohnt.

Der Weihnachtsstern ist also keine Wegwerfware, sondern eine Diva, die Heimweh nach den Nächten in Mexiko hat. Ich bin gespannt: Hat jemand das Experiment mit dem Karton oder dem Schrank durchgeführt und den Weihnachtsstern wieder zum Blühen gebracht?


Quellenangabe

HitsLab (Hintergrundmusik), Terri Cnudde (Bild) via pixabay.com