Tagebaubaggerfahrer mit inoffizieller Mitarbeit bei der Stasi, Musiker aus dem Laienbereich und 6 mal Gerhard Gundermann

Der Untertitel des Stückes des Staatsschauspiels Dresden über den Liedermacher Gerhard Gundermann aus dem Lausitzer Braunkohlerevier verspricht eine „Revue über Helden, Gras und Kohle“. Mein Fazit ist, dass ich eine packende Inszenierung gesehen habe, die leider das rechtzeitige Ende verpasst hat.

Gundermann: alle oder keiner“ besteht aus drei Teilen und sechs Gundermann-Darstellern. Besser kann man die innere Zerrissenheit eines jeden Menschen nicht darstellen. Denn das Stück ist eine Lebensgeschichte, die wir alle haben. Wessen Leben verläuft schon so geradlinig, dass man es vom ersten bis zum letzten Tag, jede Minute genau so noch einmal leben möchte? Hinzu kommt für die in der DDR Geborenen ein Bruch in der Gesellschaft, der die persönlichen Entscheidungen noch einmal in besonderer Weise darstellt und im Nachhinein in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Gerhard Gundermann wächst als Einzelgänger auf, der am liebsten bastelt und später Schwierigkeiten hat, seinen Platz im Kollektiv der Brigade zu finden. Er steht zu seiner Meinung, auch wenn er dafür aus der Partei ausgeschlossen wird. Er sieht sich immer noch als Kommunist. Und er ist bei der Stasi.

Hier konnte ich der Inszenierung sehr gut folgen, auch wenn ich den sechs Gundermann-Darstellern, die gleichzeitig noch andere Rollen spielten, nicht immer ganz folgen konnte. Vielleicht hat heute Abend jeder seine eigene Aufführung gesehen. Jeder hat auch eine andere Erinnerung an die DDR. Und es gibt auch nicht die eine Wahrheit. Aber es gibt Tatsachen, und die konnte auch die Staats- und Parteiführung nicht ändern, auch wenn sie immer wieder versucht hat, sie zu leugnen.

Spannend wurde es dann bei der Darstellung der Wendejahre. Ein Umbruch, der auch auf der Bühne erlebbar wurde. Erst die Beschäftigung mit der Gegenwart, das Erlernen einer neuen Gesellschaft und doch waren plötzlich auch die Entscheidungen der Vergangenheit wieder präsent. Es ist eine spannende Frage, und sie kommt bei jedem Menschen immer und immer wieder auf: Was haben wir heute noch mit dem zu tun, der wir in der Vergangenheit waren, und doch sind wir heute der, der wir sind, aufgrund dessen, was wir in der Vergangenheit getan haben.

Hier schweifen meine Gedanken heute Abend zum ersten Mal ab: Was wäre, wenn es die Wende nicht gegeben hätte? Wo würde ich heute im DDR-System stehen? Angepasster? Mitläufer? Täter?

Zurück im Theater kam der Moment, wo ich der Handlung nicht mehr folgen konnte, oder besser gesagt, die Inszenierung nicht mehr verstand. Aus dem Baggerfahrer im Braunkohletagebau wurde ein Umweltaktivist, der in eine Sendung des RBB eingeladen wurde. Aus den Gundermännern wurden Kakerlaken. Das verstehe ich noch als einen nicht ganz charmanten Wink, dass nicht wir Menschen, sondern die Kakerlaken die nächste Naturkatastrophe überleben werden, aber es wurde eine Diskussionsrunde nachgespielt, die für mich nicht mehr nachvollziehbar war. Wer vertrat hier welche Positionen? Und vor allem, welche Kakerlake war Gundermann?

Das (klar erkennbare) Statement des von der Lebenswirklichkeit geprägten Menschen Gerhard Gundermann hätte mir an dieser Stelle gereicht. Für mich wäre an dieser Stelle weniger mehr gewesen.

Quelle: Staatsschauspiel Dresden