TikTok, russische Propaganda-Trolle und der Nährboden des weiß-blau-roten Milieus

Ich gebe zu, ich habe TikTok. Es ist manchmal ein netter Zeitvertreib, um Hundevideos anzuschauen, um Foto-Ideen oder Technik-Tipps zu bekommen. Und nein, ich randaliere nicht in Kinos.

Außerdem liebe ich Landschaftsbilder. Leider werden auf meiner For-You-Page auch immer wieder Propagandavideos gezeigt. Anders kann ich die Clips von „emiliejosephinele“ nicht bezeichnen. Sie kommt zwar nüchtern und sachlich daher und versucht laut Eigenbeschreibung, die Welt zu verstehen, aber ihre Videos geben die Deutung vor. Dafür werden dann auch die Fakten großzügig interpretiert.

Normalerweise scrolle ich bei politischen Videos schnell weiter. Ich mag das Fan-Boy-Getue überhaupt nicht. Besonders schlimm finde ich es, wenn jemand diesen Herrn Lindner oder die Klimakleber fast gottgleich verehrt. Da fehlt mir bei vielen Beiträgen der gesunde Menschenverstand, von dem ja viele in unserem Land meinen, besonders viel zu haben. Dazu gleich mehr. Zunächst jedoch zurück zu „emiliejosephinele“.

Bei einer Journalistin finde ich es merkwürdig, dass sie ihre Inhalte nicht unter dem Klarnamen veröffentlicht. Zumal ihre Beiträge sehr professionell sind. Also habe ich mal gegoogelt und außer einem TikTok-Kanal nichts gefunden.

„Politisch Heimatlose willkommen“ steht auch in ihrer Profil-Vita. Für mich mehr als ein Warnsignal. Werfen wir also einen Blick auf ihre Aussagen.

Es stimmt, dass das ZDF gemeinsam mit Rundfunkanstalten aus der Schweiz (SRG SSR), Kanada (CBC) und Belgien (RTBF) am Forschungsprojekt „Public Spaces Incubator“ arbeitet. Aber unsere „emiliejosephinele“ lässt große Teile der Begründung für das Forschungsprogramm weg.

Public Spaces Incubator

Dafür zitiere ich mal das ZDF: „Gemeinsam wolle man online-basierte Lösungen entwickeln, um bürgerliches Engagement und den demokratischen Diskurs im digitalen Raum abseits von Hasskommentaren und zunehmender Desinformation zu ermöglichen. Man möchte also optimalerweise eine Plattform für offenen Diskurs schaffen, die unabhängig von privaten Interessen existiert und eine Alternative zu den überwiegend US-amerikanischen Medien bietet.“

Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das jetzt eine Aufgabe für das ZDF ist, finde ich die Grundidee nicht schlecht. Wo ich mir aber sicher bin: Die Entsperrung von Twitter-Accounts, die hauptsächlich sogenannte Fakenews verbreiten oder einfach nur gegen Andere hetzen, ist definitiv kein Beitrag zur Meinungsfreiheit.

Außerdem, sollte ein Forum, das eine wichtige Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt und auch als Sprachrohr für Politiker, Parteien oder Verbände, aber auch für Wissenschaftler und Sportler dient, in der Hand einer einzelnen Person liegen? Auch hier kein entsprechender Kommentar unserer „emiliejosephinele“.

Dafür gibt es einen versteckten Seitenhieb auf das ZDF und seine – zugegebenermaßen üppige – finanzielle Ausstattung und zweitens einen merkwürdigen Vergleich. Twitter hat in zehn Jahren 30 Milliarden Euro ausgegeben, während ARD, ZDF und Deutschlandfunk rund neun Milliarden Euro eingenommen haben. Was dieser Vergleich aussagen soll, erschließt sich mir nicht, aber er ist ein hervorragender Einstieg in die Frage: „Brauchen wir die Twitter-Alternative und wer soll sie bezahlen? und der anschließenden Bitte um Kommentare.

Und die sind erwartungsgemäß:

  • Oh nein, da ist die Wahrheit auf Twitter! ZDF: Lasst uns was dagegen tun, so wie jeden Tag! Wer zahlt? Die Bürger… GEZ! Ich glaub ich spinne!!
  • Elon Musk rüttelt aber mal ordentlich an der Elite!!!
  • Meinungsfreiheit und Wahrheit ist in Deutschland nicht gewünscht

Unsere „emiliejosephinele“ hat ihr Ziel erreicht. Sie macht Stimmung gegen die Systemmedien und generell gegen „die da oben“. Ich frage mich, in wessen Auftrag sie das macht. Ich spekuliere mal: Wladimir Putins beste Truppe sind nicht die Wagner-Söldner des Dmitri Walerjewitsch Utkin, sondern die aus dem Milieu der AfD-Wähler, Montagsspaziergänger und Impfverweigerer. Sie übernehmen gerne unkritisch alles, was irgendwie regierungskritisch ist, und dass das funktioniert, haben rund 15.000 Demonstranten gezeigt, die einer „Sarah Wagenknecht“ bereitwillig hinterherlaufen. – Also, wer finanziert die Journalistin?

Romantisierung der DDR

Übrigens, aber das ist ein anderes, wenn auch „verwandtes“ Thema: Mich würde interessieren, wie der MDR mit seiner Romantisierung der DDR zum Erfolg von AfD, Putin-Verstehern und Co. beiträgt, also zum weiß-blau-roten Milieu. Wenn man das MDR-Fernsehen zur Primetime einschaltet, bekommt man den Eindruck, die DDR sei vor 1989 eine Welt voll von Friede, Freude und Eierkuchen gewesen.


Kommentare

suchender Ungläubiger • Mittwoch, 15. März 2023 um 15:52 Uhr

Danke für diesen Beitrag.
Habe selbst zwar keinen eigenen Zugang zu TikTok oder Twitter, ganz einfach weil ich kein eigenes Handy habe, werde aber jeden tag mit dieser Art der Gehirnwäsche konfrontiert.
Russische Partnerin und glühende „Putin-Gläubige“, welche ihr gesamtes Weltbild und den Hass auf den „Westen“ auf TikTok, RT und Telegram aufbaut.
Kampf gegen Windmühlen.

Bewertung: 5 von 5.

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