Gras und der Niedergang der sozialen Medien

Seit ihrer Entstehung haben uns soziale Medien wie zuerst Facebook, später dann Instagram und jetzt TikTok in ihren Bann gezogen. Sie versprachen Vernetzung, Information und Unterhaltung. Doch in den letzten Jahren werden kritische Stimmen lauter und ein Gefühl der Erschöpfung macht sich breit. Es gibt sogar Theorien, die den Niedergang der sozialen Netzwerke voraussagen: Verschiedene Ansätze, die darauf hindeuten, dass die goldene Ära der sozialen Medien, wie wir sie kennen, zu Ende geht – wenn sie nicht sogar schon vorbei ist.

Vergessene Versprechen und der Digital Detox

Viele Beobachter sprechen vom „vergessenen Versprechen“ der sozialen Medien. Was als Plattform für echte soziale Interaktion und Gemeinschaft begann, hat sich häufig in eine von Algorithmen gesteuerte, kommerzialisierte und polarisierende Umgebung verwandelt. Nutzer fühlen sich zunehmend überfordert und unter Druck gesetzt, ständig perfekte Profile zu kuratieren. Der ständige Strom an Inhalten kann zu „Technostress“ führen.  Die Verbreitung von Fake News, Fehlinformationen und Verschwörungstheorien hat das Vertrauen in die digitalen Plattformen stark beschädigt. Kritiker weisen darauf hin, dass die ursprüngliche Idee der Vernetzung hinter dem Geschäftsmodell des sogenannten „Überwachungskapitalismus“ zurücktritt. Hier werden unsere Daten gesammelt, um uns mit ständig neuen, interessanten Inhalten bei Laune zu halten und dadurch die Verweildauer (und den Wert der Werbung) zu erhöhen.

Die Folge dieser Entwicklungen ist, dass immer mehr Menschen einen „Digital Detox” suchen oder sich bewusst für einen kompletten Ausstieg aus den sozialen Medien entscheiden.

Das Ende der sozialen Medien und die Gras-Theorie

Eine spannende Metapher, die den Niedergang von Technologien oder Trends beschreibt und oft im Zusammenhang mit dem Ende der sozialen Medien genannt wird, ist die sogenannte „Gras-Theorie”.

Die Analogie funktioniert wie folgt: Zu Beginn ist das junge Gras (die Technologie oder der Trend) aufregend, neu und wächst schnell – das erste Wachstum. Jeder ist begeistert und will dabei sein. In dieser Phase waren die sozialen Medien ein Ort der Innovation und echten sozialen Verbindung. Die Überwucherung: Das Gras wächst zu dicht. Es wird unübersichtlich, die Luft wird stickig und es herrscht ein intensiver Kampf um Licht und Nährstoffe. Im Falle der sozialen Medien bedeutet das: Die Plattformen sind mit Werbung und irrelevanten Inhalten überflutet. Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit wird gnadenlos geführt (Likes, Follower, Viralität).

Die ursprüngliche Qualität der Interaktion nimmt ab. Das dicht gewachsene Gras erstickt sich schließlich selbst, und die Menschen suchen nach frischeren, grüneren Flächen. Die Nutzer verlieren das Interesse und kehren der überladenen Plattform den Rücken.

Die Theorie legt nahe, dass das exponentielle und unkontrollierte Wachstum sozialer Medien sie letztendlich unattraktiv macht. Die Plattformen werden sozusagen Opfer ihres eigenen Erfolgs. Anstatt Orte der sozialen Vernetzung zu sein, werden sie zu unsozialen Räumen, die Stress verursachen und in denen es weniger um Vernetzung und mehr um Konsum und Selbstdarstellung geht.

Bedeutet das nun das Ende von Facebook & Co.? Wahrscheinlich nicht.

Die „große Korrektur” ist eher eine Evolution als ein plötzlicher Tod. Es bilden sich neue, seriösere Diskursräume und ein digital-kritisches Denken heraus. Es ist denkbar, dass die Plattformen nicht verschwinden, sondern sich wandeln: Der Fokus liegt weniger auf der kuratierten Identität und mehr auf kuratierten Informationen, die von Vertrauenspersonen verifiziert wurden.

Das Ende der sozialen Medien bedeutet vielleicht nicht ihr völliges Verschwinden, sondern das Ende ihrer anfänglichen „Unschuld” – ja, Facebook hat mal Spaß gemacht – und eine Rückkehr zu ihren Wurzeln, hin zu wirklich sozialen Interaktionen.