Der Revolutionär und die Nationalheilige

Ich fange mal mit Günther-Jauch-Momenten an: Die Uraufführung von Andrew Lloyd Webbers Musical „Evita” in der damaligen DDR fand 1987 an der Staatsoperette Dresden statt. Heute Abend war es wieder auf dieser Bühne zu sehen und um es frei mit den Worten des armen Schlucker Che zu sagen: „Was für eine Show!”

Dramatische Auferstehung für Evita

Als die Show noch keine 10 Minuten alt war, die Argentinier um ihre selbsterklärte Nationalheldin trauerten und gleichzeitig erste politische Unruhen auf den Straßen von Buenos Aires wüteten, erreichte der Abend seinen ersten Höhepunkt. Die letzten Klänge des „Requiem for Evita” erklangen und das Mädchen vom Dorf erhob sich aus ihrem Grab. Bühnenbild und Kostüm der Staatsoperette haben für die Auferstehung ganze Arbeit geleistet und eindringliche Bilder der Überhöhung erzeugt.

Während der spätere Revolutionär Ernesto „Che” Guevara die Geschichte von Eva Duarte de Perón erzählt, entsteht durch die Schnelligkeit der Bühnendekorations- und Kostümwechsel ein unglaublicher Sog, der mich den ganzen Abend gefesselt hat. Manchmal fehlte uns allen der kleine Moment für den verdienten Applaus. Doch als dann ganz zum Schluss das „Lament” verklungen war, traute sich niemand so recht zu klatschen. Dafür war der folgende Jubel umso intensiver.

Perfektion auf der Bühne

Auch wenn die gesamte Aufführung schlicht perfekt war und man im Grunde niemanden herausheben möchte, muss ich dem Revolutionär eine Krone aufsetzen: Gero Wendorff als „Che” war der Oberhammer. Die Maske hat zwar viel dazu beigetragen, dass er der Gewinner eines Look-alike-Wettbewerbs wäre, aber seine Schauspieler- und Gesangqualitäten waren überragend. Sybille Lambrich stand ihm als „Evita” in nichts nach und es gab auch die vielen für die Staatsoperette Dresden typischen Tanzeinlagen.

Das Musical „Evita” selbst wird in Argentinien heute ambivalent gesehen, da Eva Perón nach wie vor eine stark polarisierende Figur ist, die entweder heftig verehrt („Santa Evita”) oder heftig verachtet wird. Meist wird es als opulente, internationale Produktion mit kritischer Erzählfigur (Che) wahrgenommen, die das Spannungsfeld zwischen Evas populistischem Mythos und ihren umstrittenen Methoden kunstvoll aufgreift.

Von Santa Evita zum DDR-Bürokratismus

Und damit schließen wir den Kreis und bleiben noch einmal kurz bei Ernesto Guevara, der in der DDR verpönt war. Seine Haltung war das glatte Gegenteil der SED-Führung, die aus Berufspolitikern und strikt organisierten Kadern bestand. Mit seiner Forderung, der Bürokratie den Krieg zu erklären, kritisierte er das erstarrte und hierarchische System der DDR direkt.

Nein, es ist noch nicht ganz Schluss! Wer noch Karten bekommen kann, sollte sich Dresdens wunderbare „Evita” unbedingt ansehen!


Quellenangabe

Staatsoperette Dresden, Lutz Michen (Bilder)