Aschenbrödel und drei Haselnüsse

In den nächsten Tagen flimmert „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gleich 19 Mal über die deutschen Bildschirme. Dabei war der Film ursprünglich gar nicht als Weihnachtsfilm gedacht.

Es ist ein alljährliches Phänomen: Sobald die Adventszeit beginnt, bricht im deutschsprachigen Raum das Aschenbrödel-Fieber aus. Die ikonische Titelmelodie von Karel Svoboda weckt bei Menschen aller Generationen Weihnachtsstimmung. Doch der Status als ultimativer Feiertagsklassiker ist einem reinen Zufall der Produktionsgeschichte zu verdanken. Wäre es nach der ursprünglichen Planung von Regisseur Václav Vorlíček gegangen, würde man die Geschichte heute mit blühenden Wiesen und Sonnenschein verbinden.

Ein Sommernachtstraum wird auf Eis gelegt

Die Geschichte dieses Films begann im Jahr 1972 als Koproduktion der tschechoslowakischen Barrandov-Studios und der DDR-Filmschmiede DEFA. Vorlíčeks ursprüngliches Drehbuch war konsequent auf eine Sommerlandschaft ausgelegt. In seiner Vision ritten Aschenbrödel und der Prinz durch saftig grüne Wälder, und die Handlung entfaltete sich im warmen Gegenlicht der tschechischen Sommersonne.

Doch die Realität der sozialistischen Planwirtschaft erforderte Flexibilität. Die Studios in Babelsberg waren für den Sommer 1972 bereits mit anderen Projekten vollständig ausgelastet. Die DEFA-Leitung drängte darauf, das Projekt in den Winter zu verschieben, um die Kapazitäten auch in der Nebensaison zu nutzen. Vorlíček willigte schließlich ein, das Märchen in eine Winterlandschaft zu verlegen – eine Entscheidung, die den Film ästhetisch zwar unsterblich machte, die Dreharbeiten jedoch zu einem harten körperlichen Überlebenskampf für das Team wurden.

Bittere Kälte in hauchdünner Seide

Die größte Herausforderung dieser kurzfristigen Umplanung betraf die Garderobe. Der Kostümbildner Theodor Pištěk hatte die prachtvollen Gewänder bereits fertiggestellt, als der Wechsel in den Winter feststand. Seine Entwürfe basierten auf leichten Stoffen wie Brokat und Seide, die für sommerliche Temperaturen perfekt sind, für den harten Winter in Sachsen und Böhmen jedoch völlig ungeeignet waren.

Da das Budget keine komplett neue Wintergarderobe zuließ und sich der Kostümbildner weigerte, seine künstlerische Vision durch dicke Pelze oder schwere Stoffe zu ersetzen, mussten die Schauspieler leiden. Bei Außentemperaturen von bis zu minus 17 Grad Celsius standen Libuše Šafránková und Pavel Trávníček in hauchdünnen Strumpfhosen und leichten Kleidern vor der Kamera. In vielen Szenen ist das Zittern der Darsteller deutlich zu sehen. Es war keine schauspielerische Leistung, sondern eine natürliche Reaktion auf die extreme Unterkühlung. Besonders die berühmte Schlussszene, in der das Paar über verschneite Felder reitet, erforderte größte Disziplin, während die Filmcrew in dicken Daunenjacken hinter der Kamera stand.

Akku-Versagen und der Geruch von verfaultem Fisch

Die Kälte setzte nicht nur den Menschen, sondern auch der Technik zu. Die Kamera-Akkus der frühen 70er Jahre waren für derart niedrige Temperaturen nicht ausgelegt. Oft hielten die Batterien nur etwa 20 Minuten durch, bevor sie erschöpft waren und mühsam gegen vorgewärmte Exemplare ausgetauscht werden mussten. Dadurch zogen sich die Dreharbeiten massiv in die Länge, was die Geduld des gesamten Ensembles forderte.

Die wohl kurioseste Anekdote betrifft jedoch den Schnee am Schloss Moritzburg. Während in den tschechischen Bergen tiefer Winter herrschte, blieb der natürliche Schneefall rund um das Jagdschloss Augusts des Starken zur Zeit der Dreharbeiten aus. Da eine erneute Verschiebung finanziell nicht tragbar war, musste Kunstschnee verwendet werden. Man improvisierte mit einem Gemisch aus Kalk und tonnenweise Fischmehl.

Was auf den Monitoren wie eine perfekte Winteridylle aussah, entwickelte sich am Set zu einer massiven Belastungsprobe. Der bestialische Gestank nach verfaultem Fisch zog in die Kleidung und die Haare der Beteiligten ein. Anwohner berichteten später, dass der Geruch noch Wochen nach Ende der Dreharbeiten schwer über dem Schlossgelände gehangen habe.

Ein moderner Blick aus dem Norden

Dass der Stoff auch nach über 50 Jahren nichts von seiner Faszination verloren hat, beweist die anhaltende internationale Begeisterung dafür. Im Jahr 2021 erhielt der Klassiker mit der norwegischen Neuverfilmung „Tre nøtter til Askepott“ (Drei Wünsche für Aschenbrödel) eine moderne Würdigung.

Mit der Popsängerin Astrid S in der Hauptrolle wurde die Geschichte visuell beeindruckend in die karge und majestätische Landschaft Norwegens verlegt. Die Neuverfilmung bleibt dem Geist des Originals treu, modernisiert jedoch die Charakterdynamik und nutzt zeitgemäße Spezialeffekte, um die Magie der drei Haselnüsse neu zu interpretieren. Für Fans des Originals bietet dieses Remake einen spannenden Vergleich: Die Kernbotschaft von Mut und Selbstbestimmung ist zeitlos.

Der Kultort Moritzburg: Wo das Märchen weiterlebt

Trotz neuer Konkurrenz aus dem Norden bleibt das Original von 1973 unerreicht. Schloss Moritzburg ist heute untrennbar mit dem Film verbunden und hat sich zum wichtigsten Wallfahrtsort für Fans entwickelt. Jedes Jahr im Winter erinnert das Schloss mit einer aufwendigen Ausstellung zu „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” an die Produktion.

In der Ausstellung können die Besucher die originalgetreuen Kostümrekonstruktionen aus nächster Nähe betrachten und mehr über die Hintergründe der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit erfahren. Ein besonderer Anziehungspunkt ist die berühmte Schlosstreppe an der Ostseite. Dort markiert ein fest montierter bronzener Schuh genau jene Stelle, an der Aschenbrödel im Film ihr Schmuckstück verlor.

So schließt sich der Kreis: Aus einer produktionstechnischen Notlösung und dem Einsatz von stinkendem Fischmehl entstand ein Werk, das auch nach einem halben Jahrhundert nichts von seinem Zauber verloren hat und für Millionen von Menschen den Inbegriff weihnachtlicher Geborgenheit darstellt.

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Quellenangaben

Anh Tuan Phan (Bild), Muzaproduction (Soundlogo), Andrii Poradovskyi, Denis-Pavlov-Music (Hintergrundmusik) via pixabay.com