Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ein Gesetz zur Berücksichtigung der Erziehungsleistung von Eltern bei der Pflegeversicherung und das Handeln des Herrn Prof. Dr. Karl Lauterbach

Mit Beschluss vom 7. April letzten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 31. Juli 2023 das Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf die Berücksichtigung der Erziehungsleistung von Eltern verfassungskonform auszugestalten.


Bild: Jens Jeske – Imago


Das klingt erst einmal unsexy und auch typisch bürokratisch. Wichtig für uns ist der 7. April 2022. Wir merken uns das Datum und machen jetzt eine Bestandsaufnahme. Von den über 83 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit rund 74 Millionen in einer der sozialen Pflegekassen versichert. Sie zahlen Beiträge auf alles, was irgendwie nach Einkommen klingt, also Löhne, Gehälter und Gewinne von Selbstständigen oder Renten und Versorgungsbezüge (meine Aufzählung erhebt hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit). Dafür gibt es bisher zwei unterschiedliche Beitragssätze für Erwachsene über 23 Jahre: Mit Kindern sind es derzeit 3,05 Prozent und wenn man keine Kinder hat, sind es noch einmal 0,35 Prozent mehr.

Das war die Rechtslage bis zur Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts vor ziemlich genau einem Jahr. Das Bundesverfassungsgericht hat damals entschieden, dass die Entlastung der Eltern künftig nicht mehr pauschal erfolgen darf, sondern proportional mit der Kinderanzahl steigen muss.

Die Neuregelung soll wie folgt aussehen: Bei mehr als einem Kind soll ein Abschlag von 0,15 % pro Kind bis maximal fünf Kinder gelten, allerdings nur für die Versicherten. Für die Arbeitgeber ändert sich nichts.

Und noch einmal zurück zum Bundesverfassungsgericht. Das hat dem Gesetzgeber eine Frist bis Sommer diesen Jahres gesetzt. Man kann also meinen, dass die Bundesregierung und insbesondere das Bundesgesundheitsministerium gut im Zeitplan liegen. Doch das ist mit nichten so.

Ich glaube, man sollte die Fähigkeiten eines Bundesministers nicht daran messen, wie kreativ er seinen Lebenslauf gestaltet, sondern an seinem praktischen Handeln, und da hat der Herr Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) wieder einmal versagt. Statt an einem Gesetzentwurf arbeiten zu können, waren seine Beamten dem Vernehmen nach mehr damit beschäftigt, ihren Chef in einer der deutschen Talkshows zu suchen, wenn sie denn überhaupt wussten, wo er sich gerade aufhielt. Auch im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages ist er nur selten zu sehen. Fleiß scheint nicht seine Stärke zu sein.

Warum irritiert mich das so? Nun, ein Gesetz muss auch umgesetzt werden.

Alle, die in Deutschland in irgendeiner Form Beiträge berechnen, brauchen ab dem 1. Juli 2023, wenn die neuen Beitragsberechnungsregeln gelten, noch weitere Daten zur Elterneigenschaft. Bisher genügte die Information, ob Kinder vorhanden sind. Jetzt muss die genaue Anzahl ermittelt werden und – wir erinnern uns an die Bestandsaufnahme – das muss bei rund 74 Millionen Beitragspflichtigen geschehen.

Das Änderungsgesetz ist zwar auf der Zielgeraden, aber noch lange nicht vom Bundestag verabschiedet. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren kann es durchaus noch zu inhaltlichen Änderungen kommen. Wann fangen die Beitragsberechnenden, also Arbeitgeber, Zahlstellen, Krankenkassen, Agenturen für Arbeit, Jobcenter, Kommunen und Rentenversicherungsträger an, nachzufragen? Ist ungünstig wenn man nicht hundertprozentig weiß, was man in Erfahrung bringen sollte und die Verwaltungskosten sollten sich in Grenzen halten.

Es sind noch rund hundert Tage und in dieser Zeit müssen nicht nur die entsprechenden Rückfragen verschickt werden, sondern auch der Postrücklauf überwacht, die Versicherten ggf. erinnert werden und dann müssen die neuen Daten auch noch in das „System“ eingepflegt werden. Apropos EDV. Auch diese Programme müssen angepasst und entsprechend getestet werden. Und Schulungen zur neuen Rechtslage waren sicher auch nicht schlecht.

Da ist viel zu erledigen in den nächsten drei Monaten. Ist jetzt klar, warum ich von Herrn Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) irritiert bin!?


Kommentare

C.R. • Sonntag, 26. März 2023

Das wir ein lustiger Sommer für alle, die Beiträge berechnen. Wir kennen ja die Empörungsbereitschaft, wenn den Deutschen etwas zusteht, sie aber erstmal trotzdem mehr zahlen müssen. Besonders die Rentner werden die Rentenkassen mit Briefen und Anrufen bombardieren.


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