Das Eichhörnchen und der Adrenalinpegel

Vor Kurzem habe ich ein Video gesehen, in dem ein Eichhörnchen von einem Baum heruntersprang, während ein Fuchs aufgeregt um den Baum herumlief. Der Fuchs jagte das Eichhörnchen und hätte es fast bekommen. Doch dem Nager gelang es buchstäblich in letzter Sekunde, sich vor dem Raubtier auf den nächsten Baum zu retten.

Diese Szene veranlasste mich zu dem Kommentar, dass das fast schon lebensmüde wirkt. Als Antwort meinte jemand, dass es Untersuchungen gibt, die zeigen, dass Tiere durchaus auch nach Adrenalin süchtig sein können. Das ließ mir keine Ruhe, also habe ich recherchiert.

Und tatsächlich: Die Wissenschaft gibt dem Kommentator recht – zumindest teilweise.

Zwar würden Biologen nicht direkt von „Sucht“ sprechen, aber das Phänomen ist als „Sensation Seeking“ bekannt. Es ist keineswegs ein rein menschliches Laster. Forschungen zeigen, dass viele Tiere – von Ratten bis hin zu Primaten – gezielt risikoreiche Situationen oder neue Reize suchen.

Der Grund dafür liegt in der Gehirnchemie, die unserer verblüffend ähnlich ist. Wenn ein Tier ein Risiko eingeht und überlebt (oder eine neue Erfahrung macht), schüttet das Belohnungszentrum im Gehirn Dopamin aus. Das fühlt sich gut an.

Beim Eichhörnchen kommt noch eine evolutionäre Komponente hinzu, die als „Predator Inspection“ oder „Mobbing“ bezeichnet wird. Indem es dem Fuchs so nah kommt und dann entwischt, sendet es ein klares Signal: „Ich bin so fit und schnell, verschwende deine Energie gar nicht erst an mir.“

Es ist also eine Mischung aus Überlebensstrategie und biochemischem Kick. Ob Krähen, die auf verschneiten Dächern Schlitten fahren, oder Eichhörnchen, die Fangen mit dem Tod spielen – Mutter Natur scheint den Nervenkitzel durchaus vorgesehen zu haben.

Doch der Adrenalin-Kick ist bei Weitem nicht das einzige Verhalten, bei dem uns Tiere den Spiegel vorhalten. Wenn wir genauer hinsehen, entdecken wir Züge, die wir oft arrogant als „exklusiv menschlich” verbuchen.

Der bewusste Rausch

Nicht nur wir Menschen genehmigen uns gerne mal einen Drink, um abzuschalten. Junge Delfine wurden dabei beobachtet, wie sie vorsichtig auf Kugelfischen herumkauen. Das Ziel? Das Nervengift der Fische wirkt in kleinen Dosen berauschend. Sie reichen den Fisch sogar in der Gruppe herum, fast wie einen Joint auf einer Party.

Sinn für Gerechtigkeit

Wer glaubt, Moral sei eine rein menschliche Erfindung, kennt die Kapuzineraffen noch nicht. In Experimenten rasten diese Tiere förmlich aus, wenn sie sehen, dass ein Artgenosse für die gleiche Aufgabe eine leckere Traube bekommt, während sie selbst mit einem Stück Gurke abgespeist werden. Das Gefühl von „Das ist doch unfair!“ sitzt also evolutionär ziemlich tief.

Nachtragend sein

Rabenvögel vergessen nichts. Wer sie einmal ärgert, landet auf einer schwarzen Liste. Krähen können sich menschliche Gesichter über Jahre hinweg merken und warnen sogar ihre Artgenossen vor dem „bösen Menschen“. Groll zu hegen ist also keine Erfindung schlechter Verlierer, sondern intelligenter Überlebenskünstler.


Quellenangabe

Wer sich tiefer in diese Themen einlesen möchte, findet in der Verhaltensbiologie faszinierende Belege. Dass Krähen sich Gesichter merken und diesen Groll sogar an ihre Nachkommen weitergeben, hat Professor John Marzluff an der University of Washington in einer bekannten Langzeitstudie mit Masken nachgewiesen. Das berühmte Experiment zur Ungerechtigkeit bei Kapuzineraffen – oft als „Gurke gegen Weintraube“ zitiert – stammt von den Verhaltensforschern Sarah Brosnan und Frans de Waal, die damit eindrücklich zeigten, wie sensibel Tiere auf ungleiche Behandlung reagieren. Die Beobachtung der berauschten Delfine ging durch die BBC-Dokumentation „Spy in the Pod“ um die Welt, bei der Roboter-Kameras die Tiere in intimen Momenten filmten. Das riskante Verhalten der Eichhörnchen wiederum wird in der Biologie oft unter dem Fachbegriff „Predator Inspection“ zusammengefasst, bei dem der evolutionäre Vorteil der Abschreckung eng mit dem Belohnungssystem im Gehirn verknüpft ist.