Stolz und Forderungen

Gescheiterte Diplomatie

Außenminister Johann Wadephul stornierte seine geplante Reise nach China. Aus deutscher Sicht waren die Gründe dafür die mangelnde Flexibilität und die schlechten Reisebedingungen, die China aufgestellt hatte. Konkret ging es um die Weigerung Chinas, Gespräche über bestimmte heikle Themen zuzulassen, sowie um Einschränkungen beim geplanten Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Diese Beschränkungen wurden als inakzeptabel gewertet, was schließlich zur Stornierung führte.

Das chinesische Außenministerium reagierte scharf und forderte mehr Respekt von Deutschland. Man betonte, dass die Beziehungen auf gegenseitigem Respekt beruhen müssten und warf Berlin vor, sich in innere Angelegenheiten einzumischen. Pekings Kernbotschaft war, dass die bilateralen Beziehungen nur gedeihen könnten, wenn Deutschland die diplomatischen Spielregeln Chinas akzeptiert und eine weniger konfrontative Haltung einnimmt.

Chinas Streben nach globalem Einfluss

Der Vorfall um die Reiseabsage ist kein Einzelfall, sondern spiegelt das Bestreben Chinas wider, seinen internationalen Einfluss massiv auszubauen. Peking nutzt seine wachsende ökonomische und technologische Macht, um die globale Ordnung aktiv mitzugestalten und dabei eigene Werte und Vorstellungen stärker in internationale Gremien und Abkommen einzubringen.

Ein Beispiel hierfür ist die „Belt and Road Initiative“, mit der Infrastrukturprojekte in über 150 Ländern finanziert und somit neue Abhängigkeiten und geopolitische Achsen geschaffen werden. Gleichzeitig investiert China massiv in seine militärischen Kapazitäten sowie in sogenannte „Soft Power“-Instrumente, etwa über Konfuzius-Institute und staatlich kontrollierte Medien, um das globale Narrativ positiv zu beeinflussen. Dieses Streben geht Hand in Hand mit einem selbstbewussten Auftreten auf der diplomatischen Bühne, bei dem Kritik von westlichen Partnern zunehmend scharf zurückgewiesen wird.

Langfristige Strategie der Geduld

Was die chinesische Außenpolitik von kurzfristigen Manövern unterscheidet, ist ihre langfristige Strategie. Die Führung in Peking denkt nicht in Legislaturperioden, sondern in Generationen und Fünfjahresplänen. China ist sich seiner historischen Größe und seines aktuellen Aufstiegs bewusst und zeigt immense Geduld, wenn es darum geht, seine geopolitischen Ziele zu erreichen. Die strategische Annahme ist, dass die westlichen Mächte – insbesondere die USA und Europa – durch innenpolitische Querelen und kurzfristige Entscheidungszyklen abgelenkt sind.

Diese „strategische Geduld” ermöglicht es China, Rückschläge wie diplomatische Spannungen oder Handelsstreitigkeiten zu überstehen, während es kontinuierlich und unaufhaltsam seine Position in Schlüsseltechnologien, im Welthandel und in internationalen Institutionen festigt. Dafür hat man dort buchstäblich Zeit, da die Konsolidierung der eigenen Machtbasis und die Neugestaltung der globalen Architektur als Projekt von Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, betrachtet wird.

Die Absage der Reise von Außenminister Wadephul ist somit mehr als ein diplomatisches Zerwürfnis; sie ist ein klares Signal dafür, dass Deutschland und Europa lernen müssen, mit Chinas selbstbewussten Forderungen und seiner tief verwurzelten strategischen Geduld umzugehen, um in der neuen Ära der globalen Machtpolitik eine eigene, respektierte Position zu behaupten.


Bildquelle: Andy Wallace (via pixabay.com