Homophobie, Ausländerfeindlichkeit und die Staatsoperette Dresden – Mit Nachtrag: Was kann Kunst, wenn sie einer Erklärung bedarf!?

Den ersten Teil dieses Blogposts habe ich am Samstagabend nach dem Besuch der Aufführung geschrieben. Den Nachtrag am darauffolgenden Montag.

Es war ein schöner Abend: „Die Fledermaus“ von Johann Strauss stand auf dem Programm der Staatsoperette Dresden. Das Bühnenbild war durchdacht, die Inszenierung dezent modern, auch wenn Prinz Orlofsky für mich nicht den „Bad Guy“ hätte spielen müssen. Die Stimmen der Schauspielerinnen und Schauspieler waren ein Genuss. Aber dann kam der Frosch.


Bild: CSD Dresden, Sound: pixabay.com


Nach slapstickartigen Einlagen philosophierte der Gefängniswärter über die Ruhe und dann darüber, dass früher doch alles besser gewesen sei, da waren Jungs noch einfach Jungs und Mädchen Mädchen.

hellblau und zartrosa

Anfangs hätte man Fridolin Sandmeyers ausufernde Wortspende noch als gesellschaftskritischen Spiegel durchgehen lassen können, der schief ging. Ein Schauspieler ist eben kein Kabarettist, und das Timing eines Kabarettstücks ist eine Kunst für sich. Als er dann aber versuchte, die zahlreichen Buhs mit den Worten „Ich habe eine andere Meinung“ einzufangen, war ich mir nicht mehr so sicher, ob das nicht doch geplant war. Er sprach den freudig und kräftig applaudierenden älteren Herren aus der Seele, als er sich über den heute in Dresden stattfindenden Christopher-Street-Day lustig machte.

Für die Inszenierung zeichnet die Intendantin der Staatsoperette Dresden selbst verantwortlich. Was hat sich Kathrin Kondaurow eigentlich während der Proben gedacht? Nächstes Jahr ändern sich vielleicht die Mehrheitsverhältnisse in Sachsen, da schenken wir sicherheitshalber schon mal um?

Ich weiß es nicht … Vielleicht ist die Nummer wirklich einfach nur schief gegangen. Aber weil Homophobie allein nicht reicht, braucht es natürlich noch einen ausländerfeindlichen Witz. Ich zitiere: „Zwei Chinesen treffen sich. Der eine bietet dem anderen tausend Yuan, wenn er einer Fledermaus den Kopf abbeißt, worauf der andere fragt, was dann passiert.“

Damit war der Abend für mich gelaufen. Dass es beim Schlussapplaus noch einmal „Buhs“ gibt, habe ich in der Staatsoperette Dresden noch nie erlebt. Es war recht still im Foyer nach der Vorstellung. Wahrscheinlich weiß niemand so recht, was er von dieser Inszenierung halten soll.


Kommentare

Frido Sandmeyer • Sonntag, 11. Juni 2023 (via Instagram)

#nichtsverstanden!


Hans-Georg • Sonntag, 11 .Juni 2023

Es ist durchaus eine Tradition in der Operette, speziell in der Rolle des Frosch in der Fledermaus, Bezug zu aktuellen Ereignissen zu nehmen. Was du allerdings erlebt hast, ist ein Skandal. Sowas darf es einfach nicht geben. Ich hätte kräftig mitgebuht. Beim Verlassen des Theaters nach der Vorstellung hätte ich mich vermutlich lautstark echauffiert.


Ein Nachtrag: Was kann Kunst, wenn sie einer Erklärung bedarf!?

Montag, 12. Juni 2023

Ich wollte zum Abend gern andere Meinungen lesen und und fand dazu einen Anteil in der Sächsischen Zeitung: „Die Fledermaus in Dresden ist eine große Show.“

Auch die von mir beschriebene Frosch-Szene wird thematisiert.

Mit der Gefängniswärter Frosch-Szene, die Fridolin Sandmeyer mit einem Monolog von Jan Neumann ausspielte, bekam sie neue Nahrung. Der Gag mit dem „modernen Gefängnis“ – kein Alkohol, alles ökologisch, modern, politisch korrekt – wurde schnell zu einer One-Man-Show, zur Stand-up-Comedy. Zunehmend fühlte sich das Publikum ertappt und überführt. Kurzgefasst: Wer die gute alte Zeit, in der alles seine gewohnte Ordnung, Männer und Frauen noch klare Rollen hatten, Gut und Böse definiert waren, zurückhaben will, sehnt sich zurück in das alte Gefängnis. Der Preis der Freiheit ist Verunsicherung.

Jens Daniel Schubert, Sächsische Zeitung vom 11.06.2023 (online)

Wenn ich das so lese, macht das Sinn.

Kunst soll zum Nachdenken anregen. Wenn sich aber der Sinn eines Stückes(-teils) erst durch eine Erklärung erschließt, dann frage ich mich, ob die Verantwortlichen der Staatsoperette nicht einfach zu viel wollten. Leben wir inzwischen so in Meinungsblasen? Die Begeisterung von Herrn Schubert „Das Konzept ist gewagt. Das war auch zur Premiere zu spüren. Aber es geht auf.“ scheint das zu bestätigen. Über die Buhs schreibt er nichts, nur dass die Verunsicherung über den Frosch über den Schlussapplaus hinaus anhalten könnte.

Herr Sandmeyer sollte an seinem Text und auch an seinem Verhalten arbeiten. Ein Hashtag inklusive folgender Blockierung bei Instagram ist keine akzeptable Reaktion auf Kritik. Oder lebe ich in einer Meinungsblase?


Kommentare

Hans-Georg • Montag, 12. Juni 2023

Kunst muss selbsterklärend sein, also Wortkunst, und soll nicht erst später erklären, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Man könnte darüber auch im Programmheft schreiben, aber wer liest das schon durch im Theatersessel, da interssiert doch erstmal nur der Inhalt des Stücks und wer die Protagonisten sind.