Mathematische Herausforderungen beim Hinsetzen, Unterhaltung auf dem Niveau älterer weißer Männer und die unglaubliche Bühnenpräsenz von Birgit Schaller

Die Herkuleskeule und insbesondere die Stücke von Birgit und Wolfgang Schaller stehen weit über Dresden hinaus für pointiertes Kabarett. Darauf hatte ich mich heute Abend gefreut und bin schon beim Hinsetzen gescheitert. Die Sitzplätze sind zwar – wie üblich – in Reihen angeordnet, also Theaterbestuhlung. Diese sind aber nicht einfach durchnummeriert, sondern zusätzlich in Logen unterteilt. Wir saßen in Reihe 7, Loge 5, Plätze 4 und 5. Der Sinn hat sich uns nicht erschlossen, aber vielleicht muss das auch so sein, weil das im alten Haus der Herkuleskeule auch schon so war.


Bild: Herkuleskeule Dresden, Soundeffekte: MuzA Production


Und dieses Festhalten an Altem beschreibt auch das Bühnenstück „Verweile doch, noch bin ich schön“ recht gut. Für mich war ein Großteil der ersten Hälfte teilweise nur schwer erträglich, da DDR-Ostalgie auf die Weltsichten von alten weißen Männer traf. Als Frau Schaller dann auch noch damit anfing, dass man nicht jeden, der sich in der aktuellen Politik nicht wiederfindet, seine Probleme und Sorgen auch noch laut artikuliert, einen Nazi nennen kann, wurde ich hellhörig.

Aber sie hat die Kurve mit Bravour gemeistert und Regierung und Volk gleichzeitig den Spiegel vorgehalten. Ja, die Regierenden müssen auf die „Kleinen“ hören und ihre Sorgen ernst nehmen und ja, jeder muss aufpassen, mit wem er am Montag spazieren geht. Die Ausrede, ich habe nichts gewusst, gilt schon lange nicht mehr.

Aber es gab eben auch diese merkwürdigen Aussagen im Programm. Zum Beispiel, als sie die Verantwortung für den Ukraine-Krieg auf Annalena Baerbock abwälzte, weil die ihren Job als Außenministerin nicht macht, weil sie nicht verhandelt. Da haben die Wagenknechte im Publikum fröhlich geklatscht und ich hätte mir gewünscht, dass Birgit Schaller mal in ihr eigenes Textbuch schaut: „Die Ausrede, ich habe nichts gewusst, gilt schon lange nicht mehr“ und wir aus der DDR wissen eigentlich ganz genau, wie der Putin tickt. Wir sind ähnlich sozialisiert worden.

Mit der Verklärung der DDR kann ich nicht viel anfangen, zumal der Vergleich zweier Staaten zu unterschiedlichen Zeiten – also der damaligen DDR und der heutigen Bundesrepublik – eher ein Ding der Unmöglichkeit ist. Aber eines ist richtig. Die Frauen in der DDR hatten viel früher viel mehr erreicht als die Frauen heute, und die Frauen in Afghanistan oder im Iran, die heute für ihre Rechte auf die Straße gehen, lassen wir sträflich allein. Da hilft auch keine feministische Außenpolitik, zumal das heutige Deutschland ein ziemlich prüder Laden, geprägt von alten weißen Männern, die an ihren Stühlen kleben – und das ist schlimmer als auf der Straße – ist. Zitat: „Warum nehmen wir nichtmal Herrn Söder wegen seines Versagens beim Klimaschutz in Vorbeugehaft?“

Dass auch Frauen alte weiße Männer sein können, beweist Birgit Schaller gleich zu Beginn ihr gut zweistündigen Show. Für sie ist es schlicht unverständlich, dass sich die Einstellung zur Bedeutung der Arbeit im Leben geändert hat.


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