ProSieben und eine erschreckende Normalität

„Rechts. Deutsch. Radikal.“ nennt sich eine Reportage, die ProSieben gestern Abend zur besten Sendezeit im Programm hatte. Ungewöhnlich für einen Sender, der nicht gerade mit Nachrichten auffällt. RTL hatte auf Twitter für die ProSieben-Reportage sogar Werbung gemacht – auch kein alltäglicher Vorgang. Was dann allerdings auf dem Bildschirm folgte waren Alltagsbetrachtungen und genau dies ist das Erschreckende.

Es ist der Blick in eine Welt, in der die Gedanken aus dem Deutschen Reich der 1930/40er Jahre tatsächlich Alltag sind. In modere Worte gekleidet, aber genauso menschenverachtend. Rechtsextreme, rechte Blogger und Influencer berichten fasziniert über das Deutsch-Nationale. Nachfragen über die Verbrechen des NS-Regimes werden nur vage beantwortet. Für mich stellt sich die Frage, ob dies rein taktisch oder „nur“ eine Verklärung der Vergangenheit ist. Nachfragen dazu waren jedoch unerwünscht.

Ich weiß gar nicht, wie ich es formulieren soll und ich weiß, dass es naiv klingt: Die Rechten wirken so arg normal (mal abgesehen von den tätowierten Neonazis, die bei einem rechten Rockfestival in Ostritz gezeigt werden). Das könnten alles Zuschauer von ProSieben sein, die das Programm sonst montags gucken.

Aber genau diese Neu-Rechten wird die Sendung gestern nicht erreicht haben. „Rechts. Deutsch. Radikal.“ wird von Zuschauern gesehen worden sein, die nichts mit der AfD anfangen können und deren Fans werden die „Lügenpresse“ gar nicht eingeschaltet haben. Wäre ja schlimm, sich mit dem eigenen Weltbild auseinandersetzen zu müssen.

Auch das macht mir Angst. Wenn ich die Diskussionen über die Reportage im Internet lese, wird wieder nur übereinander geredet. Warum schaffen wir es nicht mehr, respektvoll miteinander zu diskutieren? Vielleicht war die Sendung dafür ein Anfang, den auch wenn die Meinung des Reporters deutlich war, versuchte er dennoch ins Gespräch zu kommen.

„Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“

Die Recherchen von Thilo Mischke führten bei der sogenannten AfD heute zur fristlosen Kündigung des bisher beurlaubten Fraktionssprechers Christian Lüth. In einem Vier-Augen-Gespräch mit einer rechtsextremen You-Tuberin sagte er: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD. Das ist natürlich scheiße, auch für unsere Kinder. Aber wahrscheinlich erhält uns das. Wenn jetzt alles gut laufen würde, dann wäre die AfD bei drei Prozent.“ Und: Wie viel können wir provozieren? Ist so. (…) Ist schwierig, sehr schwierig.“ Das alles sei mit Alexander Gauland „lange besprochen“ worden.

Herr Gauland hat inzwischen dementiert: „Die Herrn Lüth zugeschriebenen Äußerungen sind völlig inakzeptabel und in keiner Weise mit den Zielen und der Politik der AfD und der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag vereinbar.“

Klar, Herr Lüth ist Pressesprecher der AfD-Fraktion geworden, weil eine andere Weltanschauung als die Partei hat.