Vaginas und Penisse, Gefühle und der Anspruch im Besitz der Wahrheit zu sein

Dieser Beitrag ist meine Meinung.
Ich erhebe nicht den Anspruch, im Besitz einer Wahrheit zu sein.

Ich teile meine Mitmenschen in drei Kategorien ein. Die Menschen aus Kategorie 1 mag ich. Das sind meine Familie, meine Freunde und ein paar Arbeitskollegen. Natürlich gibt es innerhalb dieser Gruppe einige Abstufungen.

In Block 2 sind die Leute, mit denen ich aus verschiedenen Gründen einfach auskommen muss. Das sind Teile der Familie, Arbeitskollegen und die Nachbarschaft. Hier ist Höflichkeit im Alltag gefragt.

Die allermeisten Menschen gehören zu Gruppe 3 und interessieren mich überhaupt nicht.

Allen drei Gruppen ist gemeinsam, dass ich sie mit Respekt behandle und mir ihre geschlechtliche Orientierung egal ist. Denn wenn man eine Basis hat, spielt das keine Rolle und genauso spielt es keine Rolle, wenn man überhaupt nichts miteinander zu tun hat. Die Sympathieebene ist viel entscheidender.

Insofern kann ich mit dem gestern vom Bundestag verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetz zunächst nicht viel anfangen. Aber ich freue mich für die Menschen, die sich in ihrem Körper nicht wohl fühlen, dass es für sie jetzt Erleichterungen gibt, ihren Weg zu gehen, der viel Kraft erfordert.

Jetzt wird es kompliziert!
Die Sache, dass ich mein Geschlecht frei fühlen kann, verstehe ich nämlich nicht.

Ich bin schwul. Es war ein anstrengender Weg, mir das einzugestehen, und es ist eine weitere Herausforderung, dazu zu stehen. Aber es gibt eine Art Vergleichsmaßstab, um zu unterscheiden. Männer, die auf Frauen stehen, sind heterosexuell; Männer, die auf Männer stehen, sind homosexuell und Männer, die auf Frauen und Männer stehen, sind bisexuell. Unsere Gesellschaft ist inzwischen mehrheitlich so weit, dies nicht mehr als Wertung zu betrachten. Ich freue mich über die Weiterentwicklung und dass wir nicht alle einer vermeintlichen Norm entsprechen müssen.

Für die Einteilung in Frau und Mann gibt es meiner Meinung nach auch zwei objektive Kriterien: Vagina und Penis. Denn wann ist ein Mensch eine Frau und wann ein Mann? Außer dem Körperbau gibt es zunächst einmal nichts, was eine Einteilung ermöglicht. Oder kann auch nur ein Mensch auf dieser Erde sagen, welcher Charakter, welches Denken, welches Verhalten weiblich oder männlich ist?

Und das ist für mich die Krux am Selbstbestimmungsgesetz. Wenn ich morgen früh aufwache und fühle, dass ich eine Frau bin, dann kann ich übermorgen zum Einwohnermeldeamt gehen und meinen Geschlechtseintrag ändern lassen, ohne geschlechtsangleichende Maßnahmen zu ergreifen.

Ich will jetzt niemandem unterstellen, dass er das leichtfertig tut. Ich verstehe nur nicht, woran ein Mensch mit einer Vagina festmacht, dass er keine Frau, sondern ein Mann ist. Was ist der Vergleichswert? Und diesen muss es ja scheinbar geben, sonst würde ein Mensch sich diese Gedanken nicht machen.

Sind wir Menschen in unserem Schubladendenken so gefangen, dass wir sie unbedingt brauchen, auch wenn wir sie gerne mit einem neuen Anstrich versehen würden? Eigentlich wäre die logischste Forderung, wenn man den Gefühlen folgen will, die nach Abschaffung dieser Kategorie.

Ich habe mit „dieser Beitrag ist meine Meinung“ begonnen und möchte mit einer Beobachtung enden, die mich erschreckt. Es gibt inzwischen ein hässliches Internetportal, das sich die Stimme der Mehrheit nennt. Es passt in unsere Zeit.

Viele fühlen sich im Besitz der Wahrheit.

Was wird aus unserer Gesellschaft, wenn wir immer mehr die Fähigkeit verlieren, Meinungen sachlich auszutauschen? Die Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag war ein „gutes“ Beispiel. Die eigene Meinung wurde wie eine Monstranz vor sich hergetragen und kritisches Hinterfragen als Sakrileg bekämpft.