Telegram und der Zweck der Plattform

Montag, 6. September 2021

Wenn ich bei WhatsApp etwas weiterleiten will, kann ich dies maximal an fünf andere Empfänger gleichzeitig tun. Veröffentliche ich etwas bei Facebook, muss ich damit rechnen, dass die Plattform einen Faktencheck unter meinem Beitrag verlinkt. Um meinen eigenen User-Namen bei YouTube zu bekommen, bräuchte ich mindestens hundert Abonnenten und meinen Kanal muss es seit wenigstens 30 Tagen geben.

Schwadronieren wie im Sportpalast

Viele Leute auf diesen Plattformen direkt zu erreichen macht also Arbeit und ich muss sogar mit Gegenwind rechnen. Ganz anders „Telegram“. Seit dem letzten Update bietet die App Livestreams ohne Zuschauerlimits, flexible Weiterleitungen und dies alles ohne jegliche externe Moderation. Ein Kanalbetreiber kann unliebsame Meinungen dagegen jederzeit unterbinden.

Diese perfekte Welt findet ihr Publikum. Ungestört von kritischen Stimmen lässt es sich fast so schön wie damals im Sportpalast schwadronieren.

Reichweite und Geheimnisse

Während Telegram also viel unternimmt, damit die Nutzer eine breite Öffentlichkeit erreichen, ist über die Firma selbst nur wenig bekannt: Telegram wurde laut Wikipedia 2013 von den Brüdern Nikolai und Pawel Durow aus St. Petersburg gegründet. Die Betreiberfirma „Telegram Messenger LLP“ ist unter der Londoner Adresse eines Unternehmens registriert, das seinen Hauptsitz auf den Seychellen hat. Gesellschafter dieses Unternehmens sind wiederum zwei Firmen mit Sitzen auf den Jungferninseln bzw. in Belize.

Soweit erstmal nicht ungewöhnlich. Die Telegram Messenger LLP wurde jedoch im Januar 2019 von Pavel Durow aufgelöst und auf ein Impressum verzichtet die firmeneigene Homepage. Der Sitz des Entwicklerteams befindet sich laut eigenen Angaben in Dubai.

Honi soit qui mal y pense

400 Millionen Nutzer hat Telegram weltweit. Etwa 1,5 Millionen Nutzer sollen täglich dazukommen. Als Geschäftsmann würde ich verdammt schnell versuchen, diese Kuh zu melken und Geld zu verdienen. Doch von der geplanten Einführung von Werbung ist seit längerem nicht mehr die Rede. Vielleicht steckt da doch mehr dahinter?

Telegram ist ein perfektes Werkzeug zur Destabilisierung. Die Bildung von Meinungsblasen wird geradezu gefördert und die Nutzenden sind leicht zu überwachen. Die Kanäle sind öffentlich und die Chats zwischen Einzelnen nicht automatisch Ende-zu-Ende-verschlüsselt, auch wenn es Telegram so bewirbt.

Steht hinter Telegram also vielleicht mehr als ein kaufmännisches Interesse?