100 Tage Krieg: Tod und verbrannte Erde in der Ukraine, Deutschlands Alltag und eine These zu Putins Fernziel

Artikel 5 • Freitag, 3. Juni 2022

Es ist Krieg in Europa. Keine drei Flugstunden von Deutschland entfernt, morden und vergewaltigen russische Truppen in der Ukraine. Auf Befehl Putins hinterlassen sie verbrannte Erde. Städte und Infrastruktur werden zerstört. Ungezählte Menschen haben ihr Leben verloren, darunter viele Kinder.

Das Geschehen ist noch immer unfassbar. Doch während es in den ersten Tagen stundenlange Sondersendungen gab, rückt der Krieg in den Nachrichten im Ablauf immer weiter nach hinten. Wir haben uns – wieder einmal – an die menschengemachten Grausamkeiten gewöhnt. Mittlerweile irritieren nur noch die Aktionen sogenannter Intellektueller und nicht das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands. Und wir wenden uns anderen Themen zu. Der Alltag ist von 9-Euro-Ticket-Ausflügen nach Sylt, nicht funktionierenden EC-Kartenterminals oder dem 70. Thronjubiläum einer Monarchin geprägt.

Putins Ziele

Wie lange wird der Krieg noch dauern? Wird sich die Ukraine insgesamt ergeben müssen oder wie groß werden die Gebietsverluste sein? Viele Fragen im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Kremls können nicht beantwortet werden. Doch ich bin mir gar nicht so sicher, dass es Herrn Putin hauptsächlich um die Ukraine geht. Ich glaube, dass der russische Despot eher eine Destabilisierung zumindest Europas, vielleicht der gesamten sogenannten westlichen Welt als Ziel hat.

Putin sorgt schon lange für „Stimmung“ in den Ländern der EU, in dem er rechten Parteien hilft. Mal offen, in dem er zum Beispiel den „Rassemblement National“ von Marine Le Pen in Frankreich mit Geld unterstützt oder in der Bundesrepublik mit Propaganda. „RT DEUTSCH“ bezog stets Anti-Regierungspositionen. Während der Flüchtlingskrise 2015/2016 wurden wiederholt nachweisbare Falschmeldungen über Vergewaltigungen und Morde durch Flüchtlinge verbreitet, die von der Zielgruppe ungeprüft und dankbar aufgenommen wurden.

Die Hetzer von der AfD schafften es auch mit dieser medialen Hilfe in den Bundestag. Die antidemokratischen und antieuropäischen Kräfte nutzten die Flüchtlingskrise und später die Corona-Pandemie für ihre Zwecke.

Vielleicht kommt es in nächster Zeit zu einer neuen Migrationsbewegung aus dem Nahen Osten Richtung Europa. Der Libanon importiert sein Getreide zu 80 Prozent aus der Ukraine. Ein Angebot, dass fast vollständig weggebrochen ist. Die Vorräte sollen noch für ca. zehn Tage reichen. Und dann? Ich kann jeden Einzelnen verstehen, der sein Heil in der Flucht sucht oder jede Familie, die ihre Kinder in eine vermeintlich bessere Welt schickt.

Ein politisches Schachspiel

Was wird passieren, wenn nochmals mehr als zwei Millionen Menschen aus einem fremden Kulturkreis in die EU-Staaten flüchten? Wird das unsere Gesellschaft zerreißen oder schaffen wir das? Rechtsparteien werden dagegen Stimmung machen und dies wird medial wieder vom Kreml unterstützt. – Fast wie ein Zug von Schachfiguren und da ist das Ziel der König, nicht der Bauer.

Wird sich dann die EU dem Diktat eines Viktor Orbán beugen müssen, um ein gemeinsames Vorgehen zu ermöglichen? Schon jetzt spielt der Putin-Vertraute sein eigenes Blatt. Länder wie Polen und Ungarn sehen die EU eher als Kuh, die gemolken werden kann. Die Idee eines gemeinsamen Hauses tritt immer mehr in den Hintergrund und stärkt so Putins Position.

Je länger der Ukraine-Krieg dauert, um so mehr wird die Geschlossenheit in der Europäischen Union bröckeln. Je länger der Ukraine-Krieg dauert, um so mehr kommt Wladimir Putin seinem Ziel, der Destabilisierung der Demokratie näher.

Es ist Krieg in Europa und es geht um mehr als die Ukraine. Wolodymyr Selenskyj hat Recht, wenn er sagt, dass in der Ukraine auch unsere Freiheit verteidigt wird.