Unter dem Hashtag #NichtMeinKrieg versammelt sich eine erstaunliche Melange aus Putin-Verstehern, Wohlstandsverwahrlosten und Demokratieverächtern. Ihre Beweggründe sind unterschiedlich. Ihre Forderung nach einem Ende der Sanktionen gegen Russland vereint sie.
Dass sanfte Proteste gegen die Handlungen der Putin-Clique nichts bringen, hat die Annexion der Krim durch Russland 2014 gezeigt. Unter konstruierten Gründen ließ der Kreml Truppen auf die ukrainische Halbinsel marschieren und verleibte das Gebiet seinem Imperium ein. Damit verletzte Russland einen völkerrechtlich bindenden Vertrag aus den frühen 90iger Jahren. Damals wurden die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine auch von Moskau garantiert.
Die EU, die USA und Deutschland unter Führung von Angela Merkel erhoben damals den Zeigefinger, machten „Du! Du! Du!“ und verhängten einige kleine Sanktionen. Doch weiterhin erhoffte man sich durch die Fortsetzung der Annäherung in den Beziehungen Wandel im Gesellschaftssystem Russlands.
Weltanschauung eines KGB-Offiziers
Geschickt ist es Putin in den letzten Jahren gelungen, Deutschland und viele weitere EU-Staaten vom billigen russischen Öl und Gas abhängig zu machen. Außerdem lässt er von riesigen Fabriken anti-demokratische Propaganda in den sozialen Medien verbreiten und das diese wirkt, erleben wir jeden Tag. Das politische Klima ist vom Hass zersetzt.
Getroffen von geringschätzigen Äußerungen westlicher Politiker (Barack Obama: „Nur eine Regionalmacht“) über Russland, entwickelte der frühere KGB-Offizier seine eigene Weltanschauung und bastelte sich sein Bild der Geschichte zusammen.
Von sich selbst geblendet, ließ er wieder Gründe konstruieren und setzte seine Armee in Bewegung. Doch mit den Reaktionen „des Westens“ nach dem 24. Februar 2022 hat er nicht gerechnet. Die Wertegemeinschaft entdeckte ihr Gewissen und reagierte hart. So hart, dass es auch in der Wirtschaft der Europäischen Union knirscht und es – weiter kräftig von Putin befeuert – zu heftigen gesellschaftspolitischen Spannungen kommt.
Münchner Abkommen vom 29. September 1938
Wie hätte die EU aber Ende Februar reagieren sollen? Mit Stillschweigen? Mit einer Anerkennung einer vollständigen Annexion der Ukraine, weil es laut dem Geschichtsprofessor Putin nie eine ukrainische Nation gegeben hat? Vielleicht hätte das Irrlicht im Kreml Ruhe gegeben. Doch was wären unsere Werte dann noch wert?
Wann hätten wir begonnen ernsthafte Stoppzeichen zu setzen, wenn dieser geschichtsvergessende Plan auch nicht aufgegangen wäre? Nach Angriffen auf das Baltikum, Georgien oder Moldau? Oder erst wenn die russische Armee an der Oder-Neiße-Linie steht?
Ich habe Angst vorm Herbst in Deutschland, in Europa. Dieser könnte heiß werden. Nicht weil Putin seine Truppen in unsere Richtung vorrücken lässt, sondern weil vom Wohlstand verwahrloste Menschen (die nur ihre eigenen Ansprüche sehen) und die Putin-Versteher den Nährboden für die Demokratieverächter bereiten. Man stelle sich mal vor, die AfD würde nicht von der keifenden Alice Weidel oder dem blassen Tino Chrupalla vertreten, sondern von einem charismatischen Menschen geführt, der es schafft, die breite Masse der Wähler anzusprechen.
Vielleicht ist der Ukraine-Krieg nur ein kleiner Teil von Putins Plan…