Legitimierte Entscheidungen, Akzeptanz von Urteilen nach eigenem Gustus und ein Bärendienst für die Demokratie

Der United States Supreme Court urteilte am 3. März 2021 abschließend, dass es bei der Wahl des US-Präsidenten keine groben Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Nur einen Tag hat das brasilianische Wahlgericht TSE im November 2022 gebraucht, um eine Klage des amtierenden Staatschefs Jair Bolsonaro gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl abzuweisen. Die Entscheidung zum Abriss von Lützerath wurde von der Regierung Nordrhein-Westfalens getroffen und später höchstrichterlich bestätigt.

Es folgten der Sturm auf das Capital in Washington D.C., die Verwüstung von Regierungsgebäuden in Brasília und der Widerstand gegen die Polizei und andere Einsatzkräfte in Lützerath. Dabei flogen hier wie da Steine und Böller. Es wurden Menschen verletzt und, in den USA, getötet.

Nun kann ich mich mit dem Protest gegen die Ausweitung des Tagebaus identifizieren. Ich frage mich durchaus, ob dies noch notwendig ist. Ich kann mich zu Lützerath jedoch nicht positionieren, weil mir die Fakten zur Beurteilung der Notwendigkeit des Abrisses fehlen. Ich habe zwei unterschiedliche Gutachten gelesen. Die Argumente beider Seiten erschienen mir schlüssig. Als Nichtmann kann ich mir schlicht keine Entscheidung über „richtig oder falsch“ erlauben.

In Lützerath wird der Demokratie ein Bärendienst erwiesen.

Ich frage mich aber auch, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, wenn wir Entscheidungen von demokratisch gewählten Institutionen und Gerichten nur dann akzeptieren, wenn sie nach unserem Gustus sind. Und, was passiert, wenn dieses Recht der „Selektion“ von Gruppen in Anspruch genommen wird, deren Vorhaben nicht mit meinen Ansichten übereinstimmen? Gerichte anzurufen, wird da nicht helfen, wenn wir sie nicht ständig akzeptieren.

Zum Schluss noch eine bewusst scharf formulierte Frage: Dieses Wochenende waren in Deutschland dutzende Busse und Autos unterwegs, die Demonstranten nach Lützerath und wieder nach Hause brachten. Mit Blick auf den CO2-Ausstoss frage ich mich, ob man nicht auch in den jeweiligen Heimatorten hätte demonstrieren können, oder wären diese rechtskonformen Aktionen nichts fürs Ego einer Luisa Neubauer oder eines Timon Dzienus, weil weniger öffentlichkeitswirksam?