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An der Freien Universität Berlin belästigt ein Mann immer wieder Frauen. Statt die Opfer die Polizei rufen sollen, empfiehlt der Studierendenrat in einer E-Mail, ihn einfach wegzuschicken und notfalls die Uni-Sicherheit zu rufen – aber eben nicht die Polizei!
Wörtlich heißt es: „Wir möchten unbedingt darauf hinweisen, dass Polizeieinsätze für von Rassismus betroffene Menschen grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko einhergehen, Polizeigewalt zu erfahren“.
Die folgenden Reaktionen waren vorhersehbar. Von „Täterschutz“ war die Rede und davon, dass Opfer sexualisierter Gewalt nicht ausreichend geschützt würden. Eine Kritik, die ich nachvollziehen kann und teile. Wenn ich „angegangen“ werde, möchte ich in meinen Reaktionen keine Rücksicht auf mögliche Folgen für die Täterin oder den Täter nehmen.
Manchmal muss man mehr wie Helmut Kohl sein. Der saß Probleme auch gerne mal aus. Aber die AStA-Mitglieder konnten die öffentlichen Reaktionen nicht einfach hinnehmen, still sein und vielleicht auch mal reflektieren. Nein, eine weitere Pressemitteilung mit einer Richtigstellung zu den falschen Darstellungen der Position musste es natürlich sein.
Einige Zitate:
- Polizeigewalt und Morde durch Polizeibeamt*innen sind ein bekanntes Problem und sollten Anlass einer grundsätzlichen Kritik an dieser Institution sein.
- Es ist zudem eine bekannte Tatsache, dass Polizeibeamt*innen mitunter Betroffene von sexualisierter Gewalt nicht ernst nehmen oder ihnen Schuld zuweisen und so zu einer weiteren Traumatisierung beitragen können.
Das ist eine Wortwahl, die auch Alice Weidel für ihre geifernden Reden benutzt.
In der Bundesrepublik wird nur der Täter für die ihm nachgewiesene individuelle Straftat bestraft. Eine wie auch immer geartete Sippenhaftung ist aus guten Gründen ausgeschlossen – und bleibt hoffentlich auch so!
Allen Schutzsuchenden die Ausnutzung unseres Sozialstaates zu unterstellen oder in der Polizei generell ein Gewaltproblem zu sehen, ist für mich das gleiche Niveau. Sind sich Links und Rechts in ihren Argumentationsformen wirklich so ähnlich? Könnte Frau Weidel rot angestrichen in der Partei „Die Linke“ Karriere machen?
Zurück zur AStA-E-Mail:
- Schockierend ist für uns, dass von zahlreichen Verlautbarungen nun ausgerechnet die Polizeikritik in einer universitätsinternen Warnung vor einer verbal sexuell übergriffigen Person, die zudem verzerrt dargestellt wird, öffentliche Wellen schlägt.
- Ausführlich recherchierte Hinweise und Pressemitteilungen zu Kritik an Prozessen in Hochschulgremien, der desolaten sozialen Lage der Studierenden, rassistischen und sexistischen Vorfällen oder sonstigen Skandalen an der sogenannten Freien Universität sind der Presse hingegen oft nur eine Randspalte wert.
Whataboutism bezeichnet ein Verfahren, bei dem eine kritische Frage oder ein kritisches Argument nicht beantwortet oder diskutiert wird, sondern mit einer kritischen Gegenfrage beantwortet wird.
Die jüngste Pressemitteilung des AStA ist Whataboutism par excellence. Von Selbstkritik keine Spur. Stattdessen der Vorwurf, man sei missverstanden worden. Es folgen Rechtfertigungen und die Gegenfrage. Auch ein Stil, der sonst von der sogenannten Alternative verwendet wird. Fehlt eigentlich nur noch, dass jemensch vom Studierendenausschuss ganz von-storchig von der Maus abgerutscht ist.
Kommentare
C. R. • Freitag, 10. Februar 2023 um 13:36 Uhr (via WhatsApp)
Politik ist mehr als Aktionismus.
Das muss der ASta und auch die Klimakleber noch lernen.